Achtsamkeit ist inzwischen auch in vielen großen Unternehmen angekommen. Nur ein schicker Trend oder Beginn eines Wertewandels?
Warum entdecken Unternehmen Achtsamkeit für sich?
Besonders Mitarbeiter im Unternehmen kämpfen tagtäglich mit der Aufgabe, fokussiert zu bleiben. Sie arbeiten in einem Umfeld von Multitasking und Ablenkung und haben dennoch die Aufgabe, den Überblick zu bewahren, gute Entscheidungen zu treffen, Prioritäten zu setzen. Sie brauchen einen klaren, wohl sortierten Geist. Das ist uns allen klar. Leider gelingt es uns immer weniger.
Weder Führungskräften noch Mitarbeitern und viele werden von all dem Stress sogar krank. Manchmal entsteht dann der Impuls, dass man neue Wege ausprobieren möchte. Und da kommt dann die Achtsamkeit ins Spiel. Natürlich konnten Unternehmen den Druck raus nehmen. Zum Beispiel auf Umstrukturierungen und Personalabbau verzichten. Eine gute Führungskultur pflegen, die Beschäftigten fair behandeln und so bessere Bedingungen schaffen.
Aber gerade das Tempo, die Globalisierung, die Reizüberflutung und die ständige Erreichbarkeit kann man vermutlich nicht abschaffen. Es ist ja so: wir leben in einer immer enger zusammen wachsenden Welt, alles und jeder ist immer verfügbar. Arbeit, Kommunikation, Veränderungen all das wird immer schneller. Und das ist für die meisten sehr stressig. Wir können diese Welt kaum ändern, aber einen neuen Umgang damit finden. Achtsamkeit hilft uns dabei. Wenn wir lernen unseren Geist zu trainieren und lernen, nicht auf jeden Impuls auf zuspringen, entwickeln wir eine innere Ruhe Ruhe und Kompetenz, anders mit den Dingen umzugehen. Wieder die Entscheidung zu haben wie möchte ich handeln, statt auf Autopilot durch den Stress und den Alltag zu steuern.
Soll Achtsamkeit Mitarbeiter also produktiver machen noch mehr Leistung hervor bringen?
Das denken manche: Führungskräfte und Mitarbeiter durch Achtsamkeitstrainings leistungsfähiger zu machen. Auch in einem meiner Seminare saß einmal eine Dame, die am Ende der zwei Tage nicht wusste was sie ihrem Chef sagen sollte. Hatte dieser doch erwartet dass sie nach dem Training: “leistungsfähig bleiben ohne aus zu brennen” noch mehr schaffen kann. Meiner Erfahrung nach machen die Leute Übungen in Achtsamkeit und beschäftigen sich damit, weil sie unter einem großen Druck stehen, weil sie gemerkt haben dass es so nicht weitergehen kann. Sie kommen mit dem Stress der ständigen Erreichbarkeit oder der Reizüberflutung nicht mehr klar und suchen nach Auswegen. Dabei merken sie recht schnell, wie Achtsamkeit sie dabei unterstützt. Dass man sich besser konzentrieren kann, ist tatsächlich ein Effekt der Achtsamkeit. Gehe ich achtsam durch meinen Tag, kann man sehen, was ich geleistet habe, statt zu schauen, was alles wieder nicht erledigt wurde. Man kann akzeptieren, dass man in der Modernen Arbeitswelt niemals schaffen kann, was man könnte oder sollte. Wir lernen Themen los zulassen, die nichts bringen. Auch Grenzen zu setzen und nicht jedem Wunsch oder jeder Bitte nachzukommen. So steigert Achtsamkeit tatsächlich die Leistungsfähigkeit, aber nicht in einem ausbeuterischen Sinn. Wer Achtsamkeit übt, merkt beispielsweise, dass vieles von dem, was wir im Unternehmen als Impuls für Aktion wahrnehmen wie zum Beispiel E-Mails, Anrufe, Besucher, Meetings, plötzliche Planänderungen, objektiv gesehen gar nicht so antreibend sein müssten. Ein Anruf, ein aufgeregter Chef all das könnte man auch erst einmal wahrnehmen und dann ruhig abwägen, welche Reaktion jetzt sinnvoll ist. Vielleicht ist es manchmal gerade gut, nicht sofort auf eine Anfrage, eine Bitte zu reagieren, sondern sich eine Bedenkzeit auszubitten, um in Ruhe zu entscheiden, was möchte ich tun, schaffe ich das überhaupt. So ist es sinnvoll nach einem wichtigen Gespräch zurückzurufen, statt sich währenddessen ständig unterbrechen zu lassen und aus dem Meeting heraus gerissen zu werden. In einem Gespräch erst einmal zuzuhören, statt selber nach Beispielen oder eigenen Erfahrungen zu suchen. Die Aufmerksamkeit ganz dem gegenüber zuwenden. Vielleicht dem Chef zu hören, statt sofort sich zu rechtfertigen.
So stellen viele fast automatisch den Zwang zu Hektik im Job Alltag infrage. Vielleicht kann das Handy ja doch öfter ausbleiben, als gedacht und die Welt geht davon nicht unter. Vielleicht auch ab einer bestimmten Uhrzeit und sich dann nicht mehr stören zu lassen. Andere erkennen, dass sie störungsfrei viel mehr, fehlerfreier und entspannter erledigen können. Wieder andere verbannen als erstes Laptops und Handys aus dem Meeting oder schalten die Popup Benachrichtigung des Outlook Postfachs über neue Emails aus.
Diese Fixierung auf Ziele oder die Anwesenheit im Büro zum Beispiel, ist nicht immer hilfreich. Diese enge Sicht blendet Möglichkeiten aus. Wenn wir diese Muster erkennen und loslassen können, haben wir den Kopf frei, um den anderen wirklich zuzuhören und ernst zu nehmen. Wir können Prioritäten setzen, die nicht Angst getrieben, sondern im Sinne aller Beteiligten klug sind. Mitarbeiter fühlen sich plötzlich gehört und Wert geschätzt. Das ist in unserer Arbeitswelt eigentlich das wichtigste, um gut arbeiten zu können. Ein achtsamer Chef kann sehr viel verändern.
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