Wie lassen sich Arbeit, Freizeit und ein glückliches Familienleben unter einen Hut bringen?

Münchner Wochenanzeiger

“Heute wollen Väter abends ihre Kinder sehen, spielen und ins Bett bringen”

Wie lassen sich Arbeit, Freizeit und ein glückliches Familienleben unter einen Hut bringen?

“Wo sind in meinem Leben die Spielräume, auf die ich Einfluss nehmen kann?” Silke Mekat ist Trainerin im Auftrag der Haufe Akademie. (Bild: pr)

An fast jeder Lebenssituation lässt sich etwas verbessern, sagt Silke Mekat (Soulution Coaching Silke Mekat). Sie ist Beraterin und Autorin rund um Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Stressprävention, Selbstmanagement. Stefanie Ritter stellte ihr Fragen zu Beruf- und Zeitmanagement.

“Wir sind sehr viel sensibler für dieses Thema geworden”

In den letzten 20 Jahren ist ein drastischer Anstieg der Burnout-Fälle registriert worden. Woran liegt das?

Silke Mekat: In den letzten beiden Jahrzehnten ist die Krankschreibung von Arbeitnehmern auf Grund von psychischem Leiden immer mehr angestiegen. Zwischen 1997 bis 2012 stiegen die Fehltage bei der Arbeit allein durch Depressionen und psychische Erkrankungen anderer Art um über 165 Prozent. Nach dem aktuellen Gesundheitsreport der DAK von 2013 wird die Verbreitung von Burnout jedoch überschätzt. Die Krankenkasse bezeichnet das Leiden an Burnout als kein klassisches Massenphänomen. Bei leichteren Erscheinungen können Betroffene ihre gesundheitlichen Auswirkungen oftmals gut selbst wieder regenerieren. Die DAK betont in ihrer Statistik, dass sich das Bewusstsein und auch die Sensibilität von Patienten und Ärzten gegenüber psychischen Erkrankungen deutlich gewandelt haben. Glaubt man den Aussagen von Prof. Frank Jacobi von der Psychologischen Hochschule in Berlin im Rahmen des Reports dann gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass in der heutigen Zeit mehr Menschen psychisch erkrankt sind als noch vor 20 Jahren. Vor allem das Burnout-Syndrom hat in den letzten Jahren psychische Erkrankungen mehr in den Focus der Öffentlichkeit gebracht.

Über eigene psychische Erkrankungen spricht kein Mensch gerne und leicht, denn sie stellen in einer Leistungsgesellschaft wie der unseren noch immer ein massives Makel der Persönlichkeit dar. In den letzten Jahren wurde viel über Burnout in den Medien berichtet, was dazu geführt hat, dass Burnout durchaus positiver besetzt ist und vor allem auch sozial akzeptierter als zu sagen „ich habe eine Depression“. Wer einen Burnout hat, hat zuvor viel geleistet, so die weitverbreitete Meinung. In der öffentlichen Wahrnehmung sind es überaus engagierte Arbeitnehmer, die über ihre Grenzen hinausgehen und dadurch diese „Ausgebranntheit“ erfahren. Zum anderen sind wir inzwischen sehr viel sensibler für dieses Thema geworden. Wer über einen längeren Zeitraum niedergeschlagen ist, wem schon alltägliche Dinge schwer fallen und wem nichts mehr richtig Freude macht, der geht heute schneller zu einem Arzt. Die Medienpräsenz von Burnout macht es vielen Arbeitnehmern scheinbar leichter, beim Arzt oder Psychologen über psychische Symptome zu sprechen. Auch wenn die Öffentlichkeit Burnout als eigenständige, psychische Erkrankung wahrnimmt, so ist dieses Syndrom an sich keine eigenständige Krankheit und taucht in der ICD10 nur als Zustandsbeschreibung („Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“) auf. Hauptdiagnose sind meistens Depressionen und sogenannte Anpassungsstörungen des Patienten.

“Nichts von der To-do-Liste geschafft”

Wird das Arbeitsleben tatsächlich immer stressiger oder waren die Menschen früher stressresistenter?

Silke Mekat: Ich denke schon, dass das Arbeitsleben stressiger geworden ist und wird. Bevor die Kommunikation per Email oder inzwischen WhatsApp funktionierte, schrieb man Briefe und die konnten schon mal eine Woche unterwegs sein. Ein Fax ging da schon schneller. Allerdings erwartete niemand eine sofortige Antwort. Heute erwartet das Gegenüber, dass innerhalb weniger Stunden, wenn nicht gar Minuten eine Antwort. Den ganzen Tag reißt die E-Mail-Flut dann auch nicht ab, die Telefonliste wird immer länger, Besprechungen dauern gefühlte Ewigkeiten und es gibt sie auch zu allen Themen. Viele haben am Ende des Tages nicht das Gefühl, irgendetwas von ihrer To-do-List geschafft zu haben und gehen erschöpft nach Hause, wo dann aber immer noch ständige Erreichbarkeit erwartet wird. Dem Smartphone sei Dank. Schauen wir uns allein die technische Entwicklung der letzten 10 bis 20 Jahre an, dann gleicht ein Arbeitsplatz heute dem von damals gar nicht mehr. Wer heute beispielsweise familienbedingt aus dem Job aussteigt, um sich den Kindern zu widmen, der wird in ein paar Jahren den Anschluss verloren haben. Die technische Entwicklung geht inzwischen weiter.

“Zeit mit Familie und Freunden werden immer wichtiger”

Ist in den letzten Jahren ein Trend zu erkennen, was die Gewichtung von Arbeit und Freizeit bei den Arbeitnehmern angeht?

Silke Mekat: Ja, ich denke schon, dass sich die Arbeitswelt weg von der Präsenzkultur entwickelt, wo der etwas galt, der abends noch um halb 10 im Büro saß, und es schick war, damit bei Freunden zu prahlen, wie noch Anfang der 2000er Jahre. Heute wollen Väter nicht nur Wochenendpapa sein, sondern abends ihre Kinder sehen, spielen und ins Bett bringen. Man trifft sich um 18 Uhr im  Biergarten und nicht erst um halb neun, auch hier hat ein Wandel stattgefunden. Immer mehr Menschen überlegen, auch ihre Arbeitszeit ins Home Office zu verlegen oder zu reduzieren. Viele fragen sich, ob das Geld nicht auch noch ausreicht, wenn der Hauptverdiener seine Arbeitszeit um zehn oder 20 Prozent reduziert. In einer teuren Stadt wie München gar kein so leichtes Unterfangen.

Ganz neue Arbeitszeitmodelle sind in den letzten Jahren entstanden. Daran kann man auch sehen, dass den Menschen ihr Privatleben, die Zeit mit Familie und Freunden immer wichtiger werden. Eine optimale Work-Life-Balance zu erreichen, ist ein hohes Ziel. Aber an fast jeder Lebenssituation lässt sich etwas verbessern. Wo sind in meinem Leben die Spielräume, auf die ich Einfluss nehmen kann? Mit dieser Frage sollte man anfangen, wenn man unzufrieden ist und etwas verändern möchte. Viele wissen zwar, was sie nicht mehr wollen, aber “was stattdessen?” ist dann die schwierigere Frage und welche Einbußen für mehr Lebensqualität man sich leisten kann und möchte.

“Das klappt sehr gut”

Welche Philosophie verfolgen Sie? „Arbeiten, um zu leben“ oder „Leben, um zu arbeiten“?

Silke Mekat: Ich arbeite, um zu leben, definitiv. Nach über 20 Jahren im Angestelltenverhältnis habe ich als Trainerin der Haufe Akademie heute das Glück, mir meine Seminare, Trainings und Coachings so zu legen, dass genügend Zeit für meine Tochter und meinen Mann bleibt. Wir haben das Glück, dass mein Mann für ein norwegisches Unternehmen arbeitet. Hier ist man schon etwas weiter als bei uns und nach 17 Uhr kaum noch jemand im Büro anzutreffen. Meine Termine plane ich bereits für ein Jahr im Voraus. Mein Mann und ich stimmen uns dabei terminlich ab, so dass immer einer bei unserer Tochter ist. Zur Not geht sie auch mal mit zum Geschäftsessen mit dem Vorstand. Norweger sind da kinderfreundlich und aufgeschlossen und unsere Tochter übt ihr Englisch. Daneben gibt es aber auch ein Netzwerk aus Freunden und Nachbarn, die mit einspringen können. Bisher klappt das sehr gut.

"Wo sind in meinem Leben die Spielräume, auf die ich Einfluss nehmen kann?" Silke Mekat ist Trainerin im Auftrag der IHK Akademie Schwaben.   (Bild: pr)

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